Die Pressefreiheit ist die Basis einer demokratischen Gesellschaft und bildet als „public watchdog“ die vierte Gewalt im Staat. In einem Staat, in dem Medien nicht frei über Unrecht, Korruption oder andere kritische Themen berichten dürfen, werden Menschenrechte verletzt. Die Mitgliedsstaaten der EU stehen dabei vor der Herausforderung, die Pressefreiheit in Einklang mit dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten zu bringen. Dies kann die journalistische Arbeit eklatant einschränken. Denn wie viel wüssten wir über so manch kritischen politischen Sachverhalt, wenn wir eine Einwilligung der betroffenen Personen zur Veröffentlichung ihrer personenbezogenen Daten gebraucht hätten?
Damit Journalisten keine Einwilligung benötigen, gibt es das sogenannte Medienprivileg. Was das für die Praxis bedeutet und warum es dies in Österreich zunächst einmal nicht mehr in der uns bisher bekannten Form geben wird, schauen wir uns mit diesem Beitrag genauer an:
Das Medienprivileg – Was ist das überhaupt?
Das Medienprivileg ist in Art. 85 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geregelt und erlaubt bestimmte Ausnahmen vom Schutz personenbezogener Daten für journalistische Zwecke. Es stellt faktisch eine Bereichsausnahme der Medien vom Datenschutzrecht dar. Grundsätzlich erlaubt die Datenschutz-Grundverordnung die Verarbeitung personenbezogener Daten ausschließlich unter strengen Voraussetzungen. Dem gegenüber stehen die in Artikel 11 der Grundrechte-Charta der EU vorgesehenen Freiheit der Meinungsäußerungen und Informationssicherheit. Die Presse hat Anspruch, verschiedene Themengebiete redaktionell aufzuarbeiten und zu veröffentlichen. Sollten Berichte über eine Person negativ ausfallen, scheint dies zunächst problematisch, da eine Einwilligung der entsprechenden Person höchstwahrscheinlich nicht erteilt wird. Damit die Pressefreiheit nicht übergangen wird, regelt die DSGVO das sogenannte Medienprivileg.
Die DSGVO gilt für alle EU-Mitgliedstaaten und vereinheitlicht somit den europäischen Datenschutz. Jedoch kann das Medienprivileg in den EU-Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen unterschiedlich ausgeprägt sein. So dürfen Abweichungen des Medienprivilegs in verschiedenen Kapiteln vorgenommen werden. Betroffene Kapitel sind zum Beispiel die Vorschriften über die Grundsätze (Kapitel II) oder auch zu den Betroffenenrechten (Kapitel III).
Kein Medienprivileg in Österreich? – Die Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshof
Der österreichische Verfassungsgerichtshof musste unter anderem der Frage nachgehen, ob die Beschwerde eines Mannes, dessen Visitenkarte unzensiert in einem Beitrag und in Bildaufnahmen über eine Hausdurchsuchung auf der Homepage eines Medienunternehmens zu sehen war, begründet ist. Die Beschwerde wurde zunächst an die Datenschutzbehörde gerichtet, jedoch wegen Unzuständigkeit abgewiesen. Gegen die Zurückweisung ging der Mann beim österreichischen Bundesverwaltungsgericht vor, welches sich daraufhin an den österreichischen Verfassungsgerichtshof wandte.
Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat nun entschieden, dass die Datenverarbeitung durch Medienunternehmen, die zu journalistischen Zwecken erfolgen, gänzlich von den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes auszunehmen, verfassungswidrig ist (ÖVfGH Beschl. vom 14.12.2022). Das Medienprivileg verstoße gegen das Grundrecht auf Datenschutz.
Gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes über die Öffentlichkeit der Verwaltung und den Datenschutz (ÖDSG) ist das ÖDSG sowie darin näher bezeichnete Abschnitte der DSGVO nicht auf journalistische Datenverarbeitung durch Medieninhaber, Herausgeber oder Mitarbeiter eines Medienunternehmens anwendbar. Dies war bis jetzt das Medienprivileg in Österreich. Jedoch wurde § 9 Abs. 1 ÖDSG durch die Entscheidung des ÖVfGH für verfassungswidrig erklärt. Schließt man Medien von der Anwendung des ÖDSG aus, würde man dem Grundrecht auf Datenschutz widersprechen. Demnach darf gesetzlich in den Datenschutz nur eingegriffen werden, wenn ein berechtigtes Interesse eines anderen gewahrt werden muss. Der österreichische Verfassungsgerichtshof musste diesbezüglich eine Interessenabwägung vornehmen und kam zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Schutz von personenbezogenen Daten vorrangig ist. Doch was bedeutet das für die Praxis in Österreich? Wurde das Medienprivileg nun endgültig abgeschafft und dem Datenschutz grundsätzlich Vorrang eingeräumt oder kommt es in jedem Fall zur Einzelfallentscheidung? Dies wird die Zukunft zeigen. Zudem bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des ÖVfGH auf europäischer Ebene Bestand haben wird.
Die Regelung des Medienprivilegs in Deutschland
In Deutschland ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ebenfalls nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt. Das Medienprivileg wird in den §§ 9c und 57 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) geregelt. Dabei regelt § 9c RStV das Medienprivileg für die Rundfunkanstalten, während § 57 RStV Regelungen für die Telemedien des Rundfunks und der Presse aufstellt. Hinzukommen die Pressegesetze der jeweiligen Bundesländer. In welche Kategorie Blogger und freie Journalisten fallen, ist streitig. Jedoch wird davon ausgegangen, dass das Medienprivileg auch für sie gilt.
Gemäß §§ 9c und 57 RStV sind in Deutschland nur die allgemeinen Bestimmungen des Kapitels I, die Rechtsbehelfe des Kapitels VIII sowie die Schlussbestimmungen des Kapitels XI der DSGVO anwendbar. Zusätzlich finden drei weitere Vorschriften Anwendung:
- 5 Abs. 1 lit. f, Abs. 2 DSGVO (Sicherung der Integrität und Vertraulichkeit der Daten)
- 24 DSGVO (Verantwortlichkeit im Rahmen von Auftragsverarbeitungen)
- 32 DSGVO (Sicherheit der Verarbeitung)
Bedeutung für die Pressefreiheit und Betroffene – Was ist erlaubt?
Gemäß Art. 6 DSGVO müssten Journalisten die Einwilligung der betroffenen Person einholen. Jedoch ist Art. 6 DSGVO nach §§ 9c und 57 RStV gerade nicht anwendbar, da dieser in Kapitel II fällt. Demnach müssen Journalisten in Deutschland keine Einwilligung des Betroffenen einholen. Voraussetzung dafür ist, dass die personenbezogenen Daten ausschließlich zu journalistischen Zwecken verwendet werden sowie der konforme Umgang mit den personenbezogenen Daten bei der Vorarbeit als auch bei der Beschaffung.
Betroffene haben eingeschränkte Rechte. Zum Beispiel können sie von ihrem Recht auf Auskunft nur Gebrauch machen, wenn die allgemeinen Persönlichkeitsrechte verletzt wurden. Journalisten können die Auskunft jedoch verweigern, wenn sie ein berechtigtes Interesse, wie zum Beispiel den Quellenschutz, haben. Des Weiteren haben Betroffene kein Recht auf Vergessenwerden oder Löschen. Was jedoch uneingeschränkt gilt, ist das Recht auf Berichtigung.
Fazit – ist die DSGVO und das Medienprivileg hinfällig?
Nein – die DSGVO ist keinesfalls hinfällig. Im Gegenteil, sie ist zu beachten. Auch wenn sie bei der Verbreitung von personenbezogenen Daten durch die oben genannten Gruppen nur teilweise anwendbar ist. Im Gegensatz zu Österreich, ist das Medienprivileg in Deutschland längst nicht abgeschafft. Der BGH brachte die Notwendigkeit des Medienprivilegs in einem Urteil (U.v. 1.2.2011 – VI ZR 345/09) sehr deutlich zum Ausdruck: „Ohne die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung der jeweils Betroffenen wäre journalistische Arbeit nicht möglich; die Presse könnte ihre in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK, Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der EU zuerkannten und garantierten Aufgaben nicht wahrnehmen“. Journalisten sollten dennoch ihre Arbeit stets im Lichte der DSGVO erbringen. Dies bedeutet vor allem, dass personenbezogenen Daten (ohne Einwilligung) ausschließlich zu journalistischen Zwecken verwendet werden dürfen.