Foto von Brian Patrick Tagalog
Kunst übt seit jeher eine faszinierende Wirkung auf die Menschheit aus. Sie vermag es, Emotionen zu wecken und Geschichten zu erzählen. Für viele Menschen ist Kunst jedoch nicht nur ein ästhetischer Genuss, sondern viel mehr eine Leidenschaft, die sie zu Kunstsammlern macht.
Ein Kunstsammler wollte den Eintrag eines seiner Gemälde in einer Datenbank für NS-Raubkunst löschen lassen und ist mit seiner Klage bis zum Bundesgerichtshof (BGH) gezogen. Dieser musste sich nun mit der spannenden Frage beschäftigen, ob ein Eintrag in solch einer Datenbank sowie eine Interpol-Fahndung eine Eigentumsbeeinträchtigung darstellt.
Der Sachverhalt – Worum geht es?
Der Kunstsammler erwarb im Jahr 1999 im Rahmen einer Auktion das Gemälde „Kalabrische Küste“ des Malers Andreas Achenbach. In der Zeit von 1931 bis 1973 befand sich das Kunstwerk im Besitz der Galeria Stern in Düsseldorf, welche der jüdische Kunsthändler Dr. Max Stern in dieser Zeit von seinem Vater übernahm. Durch die Reichskammer der bildenden Künste wurde ihm im Jahre 1935 bereits die Berufsausübung untersagt, jedoch wurde die Verfügung zunächst nicht vollzogen, sodass er im März 1937 das Gemälde an eine Privatperson aus Essen verkaufte. Erst im September wurde er endgültig gezwungen, seine Galerie aufzugeben, woraufhin Stern nach Kanada zog. Mittlerweile wird sein Nachlass von einem kanadischen Trust verwaltete, dessen Treuhänder die Beklagten in dem Verfahren sind.
Im Juni 2016 wurde auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank eine Suchmeldung für das Gemälde auf Veranlassung der Beklagten veröffentlicht. Die Lost Art-Datenbank dokumentiert Kulturgüter, die den Verfolgten der NS-Diktatur, insbesondere jüdischen Eigentümer, zwischen 1933 und 1945 entzogen wurden
(„NS-Raubgut“), oder für die ein derartiger Verlust nicht auszuschließen ist. Mithilfe der Veröffentlichung von Such- und Fundmeldungen sollen frühere Eigentümer bzw. deren Erben mit heutigen Besitzern zusammengeführt und beim Finden einer gerechten und fairen Lösung unterstützt werden. Im Zuge einer Ausstellung des Kunstwerks wurde der Kläger über die aufgegebene Suchmeldung sowie der in Kanada veranlassten Fahndung nach dem Gemälde durch Interpol informiert.
Sowohl durch die Eintragung in der Lost Art-Datenbank als auch durch die Interpol-Fahndung fühlte sich der Kläger in seinem Eigentum beeinträchtigt, scheiterte mit seiner Klage jedoch bereits am Land- sowie Oberlandesgericht.
Wahre Tatsachen begründen keine Eigentumsbeeinträchtigung – Die Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass die auf wahren Tatsachen beruhende Suchmeldung eines Kulturgutes auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank keine Eigentumsbeeinträchtigung darstellt und daher keinen Anspruch des gegenwärtigen Eigentümers gegen den Veranlasser der Meldung auf Beantragung der Löschung begründet (Urteil vom 21. Juli 2023 – V ZR 112/22). Auch führe die Aufrechterhaltung der Suchmeldung nicht zu einem rechtswidrigen Zustand.
Der BGH begründet seine Entscheidung u.a. mit dem Sinn und Zweck der Lost Art-Datenbank. Mit einer Suchmeldung wird lediglich auf das frühere Eigentum an dem Kunstwerk und die Umstände des Verlustes Bezug genommen, jedoch keine Aussage über das gegenwärtig bestehende Eigentum oder etwaige daran anknüpfende Ansprüche getroffen. Diese seien weder damit verbunden noch beabsichtigt.
Dementsprechend hat der Kläger keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 BGB auf die mit der Klage beabsichtigte verlangte Unterlassung, da er sowohl durch den Eintrag als auch durch die Fahndung nicht in seinem Eigentum beeinträchtigt ist.
Kläger kann auf Erfolg vor Verwaltungsgerichten hoffen
Die Vorsitzende Richterin deutete an, dass der Kläger womöglich Erfolg haben könnte, wenn er an Verwaltungsgerichten gegen die Betreiber der Lost Art-Datenbank vorgehe und nicht gegen den kanadischen Trust, der die Suchmeldung eingetragen hatte. Es liegt in der Verantwortung der Betreiber der Datenbank, die fortdauernde Einhaltung des Zwecks der Veröffentlichung zu überwachen und sicherzustellen, dass die Aufrechterhaltung der Veröffentlichung gegenüber dem Eigentümer des Kunstwerks weiterhin zu rechtfertigen ist. Sollte durch die Aufrechterhaltung der Meldung das Eigentum eines Kunstwerks beeinträchtigt werden, so trifft die Verantwortung hierfür folglich allein die Betreiber der Datenbank.